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Martina Kainz: Medienkompetenz als verantwortungsbewusster Umgang mit Medien

Dr. Martina Kainz, MSc arbeitet als Referentin der Fachstelle NÖ, Sozialtherapeutin und Pädagogin mit dem Fokus auf Mediennutzung. Außerdem ist sie als Mentorin im Frauennetzwerk „FRAU iDA“ aktiv.

Das Spektrum von Ihren beruflichen und wohltätigen Aktivitäten ist breit aufgestellt und Sie sind viel im Kontakt mit unterschiedlichsten Personen. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Stimmung in der Gesellschaft seit dem Ausbruch der Pandemie geändert und welche Bevölkerungsgruppen leiden unter den Folgen der Pandemie am meisten?

Foto: M. Kainz/ ©Rosemarie Winkler

Meiner Erfahrung nach sind es in erster Linie Jugendliche und junge Erwachsene, die ganz besonders unter den Einschränkungen und den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Das wurde auch in vielen internationalen Studien belegt. Für sie ist es besonders wichtig, sich unter Gleichaltrigen zu bewegen, Neues auszuprobieren und mobil zu sein. Man sieht das auch daran, dass Depressionen, Angststörungen oder auch Essstörungen und sogar suizidale Gedanken vor allem bei Jugendlichen stark angestiegen sind. Ich selbst erlebe das in meiner Arbeit im Rahmen der Fachstelle NÖ bei Elternvorträgen oder Fortbildungen für Lehrkräfte, wo mir klar wird, wie schwierig die aktuelle Situation für viele geworden ist. Eine weitere große Belastung hat sich für Familien und hier ganz besonders für AlleinerzieherInnen ergeben, aber auch für Singles, von denen manche seit fast zwei Jahren
isoliert im Homeoffice arbeiten. Deren berufliche Kontakte, vor allem aber die wichtigen Gespräche mit KollegInnen zwischendurch finden nicht mehr statt.

Wie teilen Sie Ihre Zeit ein, um allen Verpflichtungen nachkommen zu können? Womit verbringen Sie momentan am meisten Zeit?

Ich versuche, an die verschiedenen Aufgaben, die ich zu erledigen habe, möglichst strukturiert und konzentriert heranzugehen, da das auch Zeit spart. Natürlich gelingt das nicht immer gleich gut, aber ich habe das große Glück, dass ich meistens nicht allzu sehr zwischen Arbeit und Freizeit unterscheide. Wenn ich also wie zum Beispiel wie derzeit an einem längeren wissenschaftlichen Artikel schreibe, dann tue ich das sehr gerne und beschäftige mich gedanklich auch bei anderen Alltagsbeschäftigungen wie beim Kochen oder Autofahren damit. Viel Zeit verbringe ich natürlich am Computer (so viel zum Thema „Medienabhängigkeit“ 🙂 für Recherchen, für das Schreiben von Texten und auch zur Vorbereitung meiner Vorträge und Seminare. Auch diese finden derzeit meist online statt, sodass ich zwar einige Zeit vor dem Bildschirm verbringe, aber andererseits viele Stunden
einspare, die ich früher im Auto verbracht habe. Was ich mir aber auch während intensiver Arbeitsphasen immer gönne, sind zwei bis dreimal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen und Bewegung im Freien zu machen sowie regelmäßig mit mir nahestehenden Menschen zu kommunizieren, wenn es die Pandemie zulässt, natürlich real. Sport brauche ich, um einen klaren Kopf zu bekommen, und die Sozialkontakte für die Psyche.

Zum Thema Kinder und Jugendliche in der Pandemie verfassten Sie auch einen Gastkommentar für die Wiener Zeitung. Wie würden Sie Herausforderungen für SchülerInnen in der aktuellen Situation zusammenfassen und wo sehen Sie noch Verbesserungspotential?

In erster Linie müsste endlich das Angebot an psychosozialer Versorgung direkt in den einzelnen Schulen ausgebaut werden, in Form von mehr SozialarbeiterInnen, VertrauenslehrerInnen, aber auch von mehr SchulpsychologInnen. So könnte man im Vorfeld
vieles bereits abfangen und vermeiden, dass manche Kinder und Jugendliche psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen müssen oder gar eine stationäre Aufnahme benötigen. Ungeduldig macht es mich aber, wenn derzeit lautstark verkündet wird, dass die Zahl an SchulpsychologInnen aufgestockt wurde, da in Wahrheit der Betreuungsschlüssel noch immer lächerlich ist und manche SchulpsycholgInnen nach wie vor tausende SchülerInnen zu versorgen haben. Es gibt auch Schulen mit mehr als 1000 Jugendlichen, wo eine einzige Sozialarbeiterin mit gerade einmal 8 Wochenstunden angestellt ist, viele Schulen haben gar kein Angebot in diesem Bereich. Dabei wären Erstberatung und Prävention direkt an den Schulen sehr niederschwellige, jedoch überaus effiziente Möglichkeiten der Intervention.

Eines Ihrer Hauptthemen ist die Medienkompetenz. Was verstehen Sie unter diesem Begriff? Welche Kompetenzen sind da gemeint?

Der Begriff Medienkompetenz wird von vielen so verstanden, dass man elektronische Geräte gut bedienen und Programme effizient nutzen kann. Das ist aber viel zu kurz gegriffen, da es in erster Linie auch darum geht, einen reflektierten und verantwortungsbewussten Umgang mit Medien zu pflegen. Ein wichtiger Faktor beispielsweise ist zu erkennen, dass die Inhalte nicht neutral, sondern von Menschen gemacht sind, die gewisse Absichten haben und bisweilen auch manipulieren wollen. Medienkompetenz inkludiert auch Wissen über
rechtliche Grundlagen, Kenntnisse des Urheberrechts und anderer Gesetze wie bezüglich Cybermobbing, Sexting oder das Recht am eigenen Bild. Hier erleben wir in der Praxis bei Workshops mit Kindern und Jugendlichen die größten Probleme und es ist unsere Aufgabe, sie zu bestärken, die eigenen Rechte einzufordern, wenn dagegen verstoßen wird. Manche Kinder und Jugendliche ärgern sich oder sind zu Recht verletzt, wenn MitschülerInnen Bilder bzw. Videos von ihnen verschicken oder veröffentlichen. Sie wissen aber nicht, dass sie sich auch erfolgreich dagegen zur Wehr setzen können, indem sie die Löschung einfordern und im schlimmsten Fall auch den Vorfall zur Anzeige bringen. Da genügt schon ein Bild, das in der Klassengruppe per WhatsApp verschickt wurde, um das geltende Recht zu verletzen.
Noch heikler wird es natürlich bei Cybermobbing oder beim Verschicken von Nacktbildern, auch das erleben wir immer wieder. Solche Vorfälle können für Kinder und Jugendliche traumatisierend sein und hier bedarf es großer Unterstützung. Wesentlich ist aber, dass die rechtlichen Grundlagen vermittelt werden, auch den Eltern.

Wird die Wichtigkeit dieser Kompetenzen mit der Zunahme der Distanz-Lehre und Homeoffice ansteigen?

Ja, ganz sicher. Die Notwendigkeit, eine umfassende Medienkompetenz zu erwerben, wird zunehmend wichtiger werden. Hier war auch schon ein erster wichtiger Schritt, an den Pflichtschulen das Fach „Digitale Grundbildung“ einzuführen. Ich denke jedoch, dass gerade bei Erwachsenen im beruflichen Kontext die Medienkompetenz noch ausgebaut werden sollte. Manche Menschen, die im Homeoffice arbeiten, tun dies mit sehr wenig
Unterstützung seitens der Firmen. Es wäre auch wichtig, die MitarbeiterInnen zu schulen und auch zu veranlassen, dass sie regelmäßig Pausen machen, die man bei Bildschirmarbeit
noch häufiger braucht. Was es bei regelmäßigem Homeoffice sicherlich braucht, ist die Verfügbarkeit einer ausreichenden technischen Ausstattung durch die Arbeitgeber und klare
Richtlinien, auch die Cyber-Sicherheit betreffend.

Heutzutage ist es praktisch unmöglich der digitalen Welt auszuweichen. Welche Tipps haben Sie, um die positiven Effekte möglichst zu maximieren und die negativen Effekte auf die Psyche zu minimieren?

Es ist mir wichtig, digitale Technologien weder zu dämonisieren noch zu verherrlichen, sie sind ein Mittel zum Zweck. Wir haben nichts davon, wenn wir uns einreden lassen, dass wir alle durch die Nutzung digitaler Medien „cyberkrank“ oder komplett verdummen würden.
Das behaupten zwar einige so genannten „Fachleute“, die mit apokalyptischen Ratgebern viel Geld verdienen wollen, deren Vorträge über den Niedergang der Gesellschaft durch digitale Technologien dann aber – skurriler Weise – auf Youtube zu finden sind. Am zielführendsten scheint es mir zu sein, einen pragmatischen Umgang mit dem permanent verfügbaren Smartphone oder anderen digitalen Geräten zu haben. Das bedeutet, sie regelmäßig für eine gewisse Zeit auch wegzulegen zugunsten anderer Beschäftigungen, die uns Freude machen. Ich erlebe derzeit manche Jugendliche, die diese Reduktion der Smartphone-Nutzung schon realisieren und ihre eigene Medienzeit zugunsten anderer Aktivitäten ganz bewusst begrenzen, oft besser als manche Erwachsene.

Auf welche Gefahren in der digitalen Welt müssen besonders Eltern von Kindern und Jugendlichen aufpassen?

Auch in diesem Zusammenhang plädiere ich für eine pragmatische Herangehensweise von Eltern an die Thematik, was insbesondere, wenn man Kinder im Pubertätsalter hat, nicht immer einfach ist. Aber es gibt ein paar Grundregeln, wie zum Beispiel jene, Kleinkindern unter drei Jahren digitale Geräte möglichst gar nicht bzw. nur ganz sparsam und unter Aufsicht zur Verfügung zu stellen. Man weiß heute, dass das Belohnungszentrum im frühkindlichen Gehirn durch die optische und akustische Reizüberflutung von elektronischen Bildschirmen sehr stark stimuliert wird. Bekommt jetzt ein Kind regelmäßig zur Ablenkung oder Beruhigung ein Smartphone oder ein Tablet in die Hand gedrückt, dann entwickelt sich hier ein Automatismus, der unter Umständen eine spätere Abhängigkeit begünstigen kann. Eine weitere Grundregel ist, dass Eltern von Kindern im Pflichtschulalter durchaus verantwortlich sind, was diese mit dem Smartphone oder im Internet tun. Das macht es erforderlich, mit den Kindern über mögliche Risiken wie Cybergrooming oder Urheberrechtsverletzungen zu sprechen, ihnen gutes Benehmen auch im Internet beizubringen und die rechtlichen Grundlagen zu kennen. Je älter die Kinder werden, umso mehr Vertrauen kann und soll man ihnen entgegenbringen und auf ihre Eigenverantwortung setzen. Erwachsene sind jedoch auch immer Vorbild und sie sollten daher auch selbst gewisse Regeln einhalten, wie beispielsweise während der Mahlzeiten oder in einem Gespräch das Smartphone außer Reichweite zu geben. Sehr viele gute Tipps für Eltern gibt es bei Saferinternet oder auch bei der Fachstelle NÖ.

Was ist Ihr persönlicher Weg mit der Menge an Informationen umzugehen, die uns heutzutage zur Verfügung stehen? Was würden Sie Menschen empfehlen, die nicht so viel Zeit für lange Recherchen im Internet haben?

Es ist tatsächlich schwierig, aus der Fülle an Informationen die richtigen und für den jeweiligen Bedarf nützlichen herauszufiltern. Das ist auch ein wichtiger Teil von Medienkompetenz und erfordert gewisse Grundkenntnisse wie das Wissen über die Qualität einzelner Quellen. Im Gegensatz zu vor 15 oder 20 Jahren ist es aber heute keine Todsünde mehr, auf Wikipedia nachzulesen, da diese Plattform mittlerweile relativ gut kontrolliert wird. Aber die sicherste und wahrscheinlich auch übersichtlichste Art an Informationen zu
kommen, sind auch im Internet seriöse journalistische Quellen wie aus Qualitätszeitungen oder Fachzeitschriften, zu denen man online Zugang hat. Im Bereich der Wissenschaft ist es Google-Scholar, wo man gute Inhalte finden kann. Was einen immer stutzig machen sollte,
sind Informationen, die einen hochgradig emotionalisieren oder deren Quellen nicht nachvollziehbar sind. Gerade in Pandemie-Zeiten haben wir gesehen, wohin unseriöse Quellen und Fake-News führen können.

Foto: KollegInnen Frauennetzwerk „FRAU iDA“/ ©Rosemarie Winkler

Was ist die Zielsetzung der Initiative „FRAU iDA“ und worin besteht Ihre Aufgabe als Mentorin?

FRAU iDA (www.frau-ida.at) ist ein Projekt der Waldviertler Frauenwirtschaft. Es war uns ein Anliegen, Frauen im ländlichen Raum die Möglichkeit zu bieten, für ihre berufliche Tätigkeit Räume zu mieten und damit in ihrer Berufstätigkeit „sichtbarer“ zu werden. Wir hatten dabei das große Glück, mitten im Zentrum von Zwettl ein 400 m2-Areal zu finden, das neu und für die Bedürfnisse unseres Frauennetzwerks renoviert wurde. Frauen können hier Büros oder Arbeitsplätze mieten, es gibt ein großes Angebot an Vernetzungs- und
Weiterbildungsmöglichkeiten, ebenso Besprechungs- und Behandlungsräume und einen Vortragsraum. Das Projekt ist bereits österreichweit auf großes Interesse gestoßen und wir freuen uns sehr, wenn wir Mitte Februar endlich einziehen können. Meine Rolle als
Mentorin ist vermutlich meinem Alter bzw. meinen langjährigen beruflichen Erfahrungen geschuldet. Ich helfe jungen Frauen und Unternehmerinnen bei der Planung ihrer Projekte und vor allem dabei, sich mit anderen zu vernetzen und dabei Synergien zu generieren.
Gerade diese Unterstützung, dass die Frauen Kontakte zu wichtigen Partnern knüpfen können, ist mir sehr wichtig.

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